Die Mondsteinschale

Eine magische Reise zwischen Schwarzwald und Odilienberg


Der Odilienberg, ein uralter heiliger Ort am Rande der Vogesen.

Hier startete unsere gemeinsame Reise durch eine Wunder - volle Zeit. Das Ego beiseite gelegt und aus dem Herzen Mutter Erde dienen. So ließen wir uns verweben in diese Geschichte, ohne zu wissen welche Wege für uns geplant waren.

Ganz bewusst haben wir uns für die Schreibweise in Form eines Märchens entschieden, um das Überwinden der Grenzen des Verstandes zu erleichtern.

Wenn Du magst, schließe kurz deine Augen. Atme einige Male entspannt ein und aus. Öffne Dein Herz, um mit dieser wahren Geschichte tief in die für viele unsichtbare und doch so reale Welt einzutauchen.

Die unglaubliche Geschichte vom Mondstein

Der heilige Odilienberg. Seit undenklichen Zeiten ein Ort der Rituale und ein Vermittler zwischen den Welten.
Er ruft – eine Schamanin und einen Schamanen – es ist an der Zeit eine alte Wunde zu schließen.

Unabhängig voneinander machen sie sich auf den Weg, ohne zu wissen was sie dort erwartet.
Sie folgen dem Ruf.
Und obwohl sie Freunde sind, haben sie keine Kenntnisse von den Reisevorbereitungen des anderen.

Auf dem Berg würden sich ihre Wege kreuzen. Sie haben eine Verabredung miteinander von der sie nichts wissen.

 

Auf dem Odilienberg angekommen wird Marion vom Maennelstein, einem alten Kraftplatz innerhalb der elf Kilometer langen Steinmauer Mur Paien, gerufen.

Auf dem Weg dorthin begegnet ihr eine Priesterin aus vergangenen Tagen und erzählt ihr von der Lebensart am Ort aus früheren Zeiten.

 

Am Platz angekommen ist es ihr ein tiefes Bedürfnis, die dort vorhandenen Schalensteine einen nach dem anderen achtsam zu reinigen und zu ehren.

Als diese Arbeit getan ist, steht sie auf der Mitte des Platzes.



Eine Felsplatte am Boden zieht ihre Aufmerksamkeit auf sich.

 
"Marion-, ich bin hier unten, die Menschen haben mich vergessen. Schau auf meine wahre Form und hab den Mut mich freizulegen"


So beginnt sie Erde, Steine und viele Scherben mit ihren Händen aus dem Weg zu räumen.


Es kommt ein wunderschöner großer Schalenstein zum Vorschein - mit der Qualität der Mondgöttin.



Zurück am Kloster kreuzen sich schicksalhaft die Wege der Beiden.
Aus dem geplanten Tag am Odilienberg wird fast eine Woche gemeinsamen Reisens durch Raum und Zeit, voller Magie und Überraschungen. 


Und sie sind sich einig - am nächsten Tag werden sie gemeinsam die Mondsteinschale besuchen.
 

Bei Sonnenschein und blauem Himmel beginnt ihr Weg zum Maennelstein. Dort angekommen begrüßen sie den Platz mit Schamanentrommel und Indianerflöte
Gemeinsam wird der Stein nun weiter freigelegt und gereinigt. Mit Hilfe eines Tannenzweiges säubert Roland den Stein.

In ihrer Wahrnehmung wird dadurch nicht nur Sand und Laub entfernt, sondern auch die Schicht des Vergessens. Es ist wie ein Aufwachen aus dem Dornröschenschlaf. Der Stein wird plötzlich viel lebendiger und fühlbarer.
Seiner Intuition folgend gießt Roland Quellwasser vom Berg in die Schale. Marion schließt sich ihm an. Mit dieser Geste fließen männliche und weibliche Energie zusammen - ergänzen sich in wundervoller Harmonie.

Die Stimmung des gesamten Ortes wird heller und leichter und eine tiefe innere Freude und Liebe für den Stein erfüllt die Beiden


Auf ihre Art den Ort zu ehren und Dank zu sagen spielen sie gemeinsam die Trommel und Flöte. Während dieses Spiels ist plötzlich eine weitere Ebene fühlbar.
Es ist ein Sitzen und Spielen - und gleichzeitig bemerken sie mit Staunen, dass damit eine Einladung in die unsichtbare Welt geschickt wird. Eine Einladung für ein Ritual in dieser Nacht, um die ursprüngliche Kraft wieder aufleben zu lassen.
 
 

Nun trennen sich ihre Wege und Roland folgt dem Ruf zum Feenplateau. Sein geistiger Lehrer begleitet ihn und führt ihn durch den Wald auf mystischen Wegen direkt an sein Ziel. Auf den Steinquadern am Rande des Platzes bekommt er durch die Hüter des Ortes den Auftrag, sich dort niederzulegen. Sogleich wird in einer schamanischen Zerstückelung sein Kopf und sein Körper mit Steinen zerschmettert, das Ego aufgelöst, so dass er in neuer Energie wieder zusammengesetzt werden kann. Dies war die notwendige Vorbereitung für die anstehende Initiation in die Regenbogenenergie.
Auf dem Schmetterlingsstein, im Zentrum des Ortes, legt er sich in diese große Steinschale und wird erfüllt von der zarten Kraft der Feen - den Farben des Regenbogens und der Leichtigkeit des Schmetterlings.
So beglückt und leicht tritt er den Rückweg an.

 

 

Mit Schlafsack und Ritualgegenständen bepackt geht es am Abend gemeinsam auf den Maennelstein.

 

Einer magischen Nacht entgegen.

 

Auf dem großen Platz des Maennelstein herrscht reges Treiben in der Anderswelt.

Männer in weißen Gewändern stehen mit Fackeln in einem schützenden Kreis um das ganze Areal.
Feuer brennen – die Vorbereitungen für das große Fest sind in vollem Gange.

Man spürt die Freude und Ausgelassenheit all der Erwachsenen und Kinder auf dem Platz.





Eine alte weise Frau mit langem weißem Haar,

die große Erdengöttin,

steht mit Beginn der Zeremonie auf dem Fels neben dem Schalenstein, als stille Begleiterin des gesamten Rituals,

und segnet die Schamanen.


Stück für Stück erschließen sich den Beiden die einzelnen Schritte des Rituals.


Zuerst soll der Stein ein festliches Gewand bekommen.


Sie legen einen Kreis aus Tannenzweigen und Bergkristallen.

Danach zieht sie es auf den großen Felsen von dem aus man über die weite Ebene des Rheins bis in den Schwarzwald blicken kann.

Über die Erzählung eines Freundes kommt ihr die Erinnerung an eine Regenbogenbrücke, welche in alten Zeiten den Odilienberg mit einem heiligen Ort im Schwarzwald verband.

Dies erzählt sie Roland, welcher sich plötzlich seiner neu gewonnenen Regenbogenkräfte bewusst wird und sogleich eine Brücke zwischen den beiden Bergketten erschafft.

Die Brücke konnte in alten Zeiten auch für gegenseitige Besuche genutzt werden. Nun endlich besteht wieder die Möglichkeit zu rufen, einzuladen, Rituale gemeinsam zu feiern, nach all den Jahrhunderten der Trennung.

Sie stehen da, und ihrem wechselseitigen Rufen folgen die Menschen des gegenüberliegenden Ortes unmittelbar.
 

Sie rufen die Menschen, sie rufen die Ahnen,
sie rufen die Kräfte der neuen Erde um ein altes Ritual in neuer Zeit zu weben.


 Alle folgen dem Ruf, und mit Tränen der Freude fallen sie sich in die Arme. Ein großes Wiedersehen nach langem Schmerz der Trennung. Das gemeinsame große Fest hat begonnen.


Die wichtigsten Besucher aber fehlen noch, sie warten hinter einem Tor. Die lichten Ahnen aus uralten Zeiten. Sie warteten hinter einem Tor, das vor langer Zeit von dunklen Mächten verschlossen wurde.

Mit der Trommel, dem Räuchern von Salbei und der Absicht den Bann zu brechen, kann der Weg der Ahnen in die Diesseitswelt geöffnet werden. Viele - viele von ihnen kommen um mitzufeiern.


Es wird gekocht, erzählt, gelacht und getanzt.


Für die Schamanin und den Schamanen gibt es nichts weiter zu tun als ein Teil des Ganzen zu sein.


So geht die Zeit dahin, bis auf einmal alle Frauen und Kinder sich um den Schalenstein versammeln und mit viel Freude und Lachen beginnen, gegen den Uhrzeigersinn um den Stein zu rennen. Sie laden Marion ein, mit in den Kreis zu kommen. Zusammen laufen und laufen sie immer weiter im Kreis, bis eine sich drehende Lichtsäule entsteht, welche weit in den Kosmos reicht und mit dem Mond in Verbindung steht.


Dann tritt Stille ein!


In der andächtigen Ruhe warteten alle darauf, wie zum ersten Mal wieder heiliges Wasser der Mondzeremonie den Schalenstein füllen würde. Roland tritt als Erster an den Stein um Quellwasser hinein zu gießen. Marion tritt hinzu und kniet nieder, umringt von Frauen, um ebenfalls Wasser in die Schale zu gießen und Rosenblätter zu streuen - als Gabe an die Mondgöttin.

So von allen in dieser heiligen Zeremonie gerufen, schickt die Mondgöttin ihre Kraft hinab zur Erde, welche sich in das Wasser ergießt.     
Aus dem Schalenstein heraus fließend erfüllt sie den gesamten Platz mit ihrer lichten, weichen Energie und einem Gefühl der liebevollen Geborgenheit. Immer weiter dehnt es sich aus, über den ganzen Berg und weit in die Landschaft hinein.

 

Leise geht das Fest zu Ende.

Viele legen sich nun schlafen, überall liegen die Kinder in Decken gekuschelt. Der klare Himmel mit tausenden von Sternen überspannt den Platz




Ein neuer Morgen


mit wiedergewonnenen uralten Verbindungen


und Ritualen


kann beginnen.

Die Reise zum anderen Ende des Regenbogens


Die Kräfte des Mondsteins auf dem Odilienberg waren wieder erweckt und die Tore geöffnet.

Doch welcher Ort befindet sich auf der anderen Seite der Regenborgenbrücke?
Dies fragen sich die Schamanin und der Schamane.
 

Sie strecken ihre Fühler aus und spüren über den großen Fluss auf die andere Seite der Ebene zu dem verborgenen Ort im Schwarzwald – dunkel und schwer fühlte er sich an.
Doch gleichzeitig verströmt er Freude, da nun zwei Menschen den Weg zu ihm suchen. Zwei Menschen, die schon auf dem Maennelstein so heilsam gewirkt hatten. 
Er heißt sie willkommen.


Auch ein junger Drache weckt ihre Aufmerksamkeit – auch er will besucht werden.


Noch während sie mit ihren Bewusstseinsfäden den neuen Ort begrüßen zeigen sich die dort verbliebenen Bewohner. Sie tragen eine Schale mit Mondwasser bei sich welche sie den Beiden überbringen - als Geschenk - um sich vor Betreten des heiligen Ortes Gesicht, Hände und Füße waschen zu können.

 

Doch zu welchem Ort auf der anderen Seite des großen Flusses gilt es nun zu fahren?

Gemeinsam versuchen sie das Ziel auf einer Karte ausfindig zu machen. Roland trifft intuitiv die Entscheidung "Wir fahren zum Bildstein!" !
Warum genau dorthin wissen sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

 

Die Fahrt ist schwierig und mühselig. All die Leichtigkeit des Odilienbergs verfliegt und eine drückendere Stimmung macht sich breit. Immer wieder finden sie sich auf falschen Wegen wieder.


Endlich am Rastplatz angekommen ist es Zeit für eine Pause - Kraft sammeln für den anstehenden Weg auf den Berg.
Während sie essen und trinken fällt ihnen eine Legende über den Bildstein in die Hände. 
Hier war die Rede von einer uralten Verbindung zwischen dem Maennelstein und dem Bildstein. An beiden Orten gab es Eisenring am Felsen und in der Legende waren diese in früheren Zeiten durch ein dickes Seil miteinander verbunden.
Dies war die Bestätigung! Völlig fasziniert und mit Gänsehaut starren Marion und Roland auf den Text. 
Sie waren am richtigen Ort !


 

Als die Sonne den Zenit überschritten hat machen sie sich auf den Weg, - bepackt mit Trommel und Flöte.

 

Es geht stetig bergauf. 
Für Marion werden die Schritte im Laufe der Zeit immer schwerer. Sie muss sich auf ihren Stab stützen, so niedergedrückt, kraftlos und dunkel fühlt sich ihr Körper an. Jeder Schritt wird zur Qual. Langsam schleicht sich das Gefühl ein, es niemals bis nach oben zu schaffen.


Roland kann ihr nicht helfen aber er "sieht" und spricht: "Marion, irgendetwas trägst du mit dir!"
Sie spürt in sich hinein - und ja – sie trägt stellvertretend das ganze Leid der Frauen von diesem Ort auf ihren Schultern. Großer Schmerz, Verzweiflung und Angst – Tonnenschwer.


Der Weg bis zum Bildstein ist für sie ein Kampf - bei jedem einzelnen Schritt. So unglaublich schwer wiegt das Leid dieser Frauen.


Oben angekommen erwartet sie eine Horde von Stechmücken welche den Eingang zu dem alten Platz bewacht. Schnell fliehen sie durch das Portal in den heiligen Bezirk des Bildstein.

 

Es ist dunkel und still. 


Vorsichtig bewegen sie sich vorwärts. 


Es gibt keine Wege. 


Überall liegen Felsbrocken weit verstreut.

 

Langsam – ganz langsam beginnen sie zu verstehen.


Der Ort ist vollständig zerstört – kein Stein liegt mehr auf dem anderen.


Eine unglaublich gewaltige Kraft sprengte diesen Ort und schleuderte die Felsen in alle Himmelsrichtungen.


Fassungslos bewegen sie sich durch all die herumliegenden Steine.


Es lässt sich nur erahnen, welch magisch prächtiger Platz dies einmal war.


Eine große Traurigkeit schwebt über dem Ort. Die schlimmen Erinnerungen der Vergangenheit sind hier noch ganz lebendig und präsent. 
Zurückgefallen in die Zeit der Zerstörung hört Marion die Frauen und Mädchen - wie sie schreiend und in blinder Panik in den Wald fliehen. Auf der Flucht vor der Gefahr.


Der Ort ist wie eingefroren in seinem Schmerz und all diesen schrecklichen Erinnerungen.


Durch die Trümmer gehend suchen sie sich einen Platz zum Niederlassen.





Aus tiefem Mitgefühl und dem Wunsch zu erlösen, 
beginnt Roland zu trommeln und die Flöte zu spielen

 

– weckt die alten Energien –


lässt sie fliegen und würdigt was geschehen ist - so dass Heilung entstehen kann.



Marion singt das Lied der Traurigkeit


– das Lied des Schmerzes und des Leids -

das Lied dieser Frauen. 


Es will hinaus in die Welt. 


Es will gehört werden.

Allmählich ändert sich die Stimmung des Ortes.


Die Schwere fällt – Leichtigkeit kommt auf. 


Das Schreien der Frauen wird leiser und versiegt. Sie kommen zur Ruhe – sie kommen in Frieden.

 

Stille

 



Die Wunden können nun langsam heilen und der Ort sich zu neuer Kraft entwickeln. Hier gibt es nun nichts mehr zu tun.

 

In großer Dankbarkeit für das Vertrauen des Ortes und all seiner Wesen gehen sie weiter. 
Das Ahnentor will gefunden werden.


Uneinigkeit und verwirrende Pfade erschweren ihre Suche. Die Energie des Ortes wirkt sich sehr spürbar auf ihr gemeinsames Miteinander aus. Es ist wichtig wachsam zu bleiben um sich nicht in den dunklen Kräften zu verlieren.


Doch ihre Suche ist erfolgreich. Im Ilex versteckt finden sie das Ahnentor. Unscheinbar und versteckt - fast nicht zu sehen. Verschlossen durch einen Bann wie auf dem Maennelstein.


In tiefem Einverständnis mit dem Ort brechen sie den Bann – öffnen das Tor in die Ahnenwelt.
Die alte weise Frau erscheint – reicht den Ahnen die Hände – ermutigt sie heraus zu treten - nach so langer Zeit.
Auch die Frauen vom Bildstein kommen und nehmen sie in Empfang.

Es ist ein leises und zartes Wiedersehen.

 

Ein weiterer Schritt der Heilung für diesen Ort ist vollbracht.

 

Nun gilt es den Drachen zu suchen.

Auch hier schleicht sich Verwirrung und Uneinigkeit ein, über Weg und Ort. Noch immer sind viele verwirrende Kräfte unterwegs. 
Doch gemeinsam finden sie den Rückzugsort des Drachen.
 
Ein junger schwarzer Drache in Not. 
Sehr scheu und alleine lebt er oberhalb des Bildstein im Wald. Seine Mutter wurde bei der großen Zerstörung umgebracht.
 
Vorsichtig und achtsam nehmen sie Kontakt zu diesem zarten Wesen auf. 

Sie legen ihm mitgebrachte Leckereien auf einen Baumstumpf - versuchen sein Vertrauen zu gewinnen. 
Aber die Angst und das Misstrauen vor den Menschen ist zu groß. Er bleibt versteckt im Wald.
Roland ruft die weiße Urdrachin. 
Sie kommt und legt sich an die Seite des jungen Drachen - wird ihn von nun an begleiten.
Auch die Frauen und Mädchen des Bildstein und die Ahnen werden ihn in Zukunft wieder besuchen und Ehren.


Er wird zum neuen Hüter dieses Ortes heranwachsen.

 

 

Inzwischen hat sich die Nacht leise über das Land gelegt.

Erschöpft und glücklich wandern die beiden Schamanen zurück zu ihrem Rastplatz.
In großer Demut und geehrt, einen solch wunderbaren Dienst für Mutter Erde tun zu dürfen.

 

Der Bildstein und seine Wesen sind aus dem Schockzustand der alten Zeit erlöst.


Nun ist der Weg frei für all das Neue das entstehen möchte.


Zwei Orte – wieder neu verwoben in Raum und Zeit !




Geschrieben 2023


von Marion Weiße und Roland Micheler